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News vom Marketing-Club Neckar-Alb

Wertschätzung vor Wertschöpfung

MCNA vor Ort // September 2024

Den Begriff "Demut" hört man in Marketing-Vorträgen nicht allzu oft. Andreas Dominguez, Prokurist des Reutlinger Immobilienentwicklers Schöller SI, verwendete das Wort beim ersten Club-Abend nach der Sommerpause im Quartier "Stuttgarter Tor" wiederholt - was wohl auch daran liegen dürfte, dass Schöllers drittes Standbein, Photovoltaik und Windkraft, seit 2008 kräftig an Muskelmasse zugelegt hat.

"Wo wir hingehen, da muss es nachher besser sein als zuvor", postulierte Dominguez gleich zu Beginn den Anspruch, mit dem die Schöller-Holding neue Projekte angehe - und zwar gleichermaßen bei der Quartiersentwicklung, den erneuerbaren Energien und auch in der Immobilienverwaltung. Dominguez, bei Schöller für Marketing und Verkauf zuständig, ging kurz auf einige aktuelle Projekte wie den Pfullinger Arbach Park und die kommenden Propeller in Münsingen-Magolsheim ein. Letztendlich sei das Produkt aber gar nicht ausschlaggebend für das Geschäftsmodell: "Unser USP ist Vertrauen. Entscheidend ist die Stammkundschaft. Wenn wir ein neues Projekt mit zehn Investoren angehen, dann sind höchstens zwei davon neu." Dass auch wegen gesetzlicher Vorgaben kaum Laufkundschaft in die Schöller-Fonds einsteigt, verschwieg Dominguez dabei nicht: Wer dabei sein will, muss 200.000 Euro mitbringen. Wie Dominguez erklärte, soll diese Mindestsumme sicherstellen, dass sich Anleger ausreichend damit beschäftigen, was mit ihrem Geld geschieht. Hier kündigte Dominguez allerdings eine tiefgreifende Änderung an: Mittels Blockchain-Technologie will Schöller bald Anlagen in beliebiger Stückelung anbieten können.

Die regionale Verankerung und die mittlere Unternehmensgröße stellte Dominguez durchaus als Assets dar: "Ein kleinerer Entwickler mit Expertise kann sich um Projekte kümmern, die Probleme haben." Und die persönliche Vorsprache "durch den Willi", also CEO Willi Schöller, bei Landwirten auf der Alb zwecks Standorten für Windparks, komme seit einigen Jahren recht gut an, da die Wertschöpfung vor Ort bleibe. Wie Dominguez berichtete, war dies nicht immer so, da nach dem Atomausstieg-Beschluss die großen Energiekonzerne mit viel Geld auf den zuvor mittelständisch geprägten Markt für erneuerbare Energien gedrängt hätten.

Klinkenputzen, Reisekilometer und viel Detailarbeit zählte Dominguez zu den "Hausaufgaben" die Schöller für die Projektplanung erledige, um dann auch zeitlich im Rahmen zu bleiben. Als Moderator Christoph Koppensteiner seine fast schon obligatorische Frage nach Stolperfallen und Rückschlägen stellte, erzählte Dominguez von Fahrten der Geschäftsführung durch ganz Deutschland zu großen Baustellen auf denen es nicht rund lief. Als häufiges Problem bei Hochhäusern über "der magischen Grenze von 21 Metern" nannte er den Brandschutz - und zeigte mit dem Finger auf die Sprinkleranlage in der Decke. Der Vertrag mit dem Bauunternehmen für das Quartier "Stuttgarter Tor" habe 4.000 Seiten umfasst, weshalb die Ausgaben für Fachanwälte zwar die Marge schmälerten, aber unumgänglich seien. Und trotzdem habe die Abnahmeliste immer noch 6.000 Mängel umfasst, wenn es sich auch größtenteils um Kleinigkeiten gehandelt habe. Diesmal deutete  Dominguez auf den Vorhang, der den Konferenzraum von der Teeküche trennt - eigentlich war dort eine schwerere Schiebetür vorgesehen. "Man muss ständig den Subunternehmern auf den Füßen stehen", riet Dominguez, wie sich Ärger auf dem Bau eindämmen lasse. 

Die Risiken der Schöller-Projekte stellte Dominguez als überschaubar dar: Den Wohnungsbau nannte er schlicht "Betongold". Von Investitionen in erneuerbare Energien zeigte er sich sogar noch überzeugter als der Tulsa King - doch Spaß beiseite: Wie Dominguez, auch auf interessierte Nachfragen hin, erklärte, wie bei Bau und Betrieb von Windkraftanlagen mit EEG-Förderung, Leipziger Strombörse, Abschreibungsmöglichkeiten und tatsächlich anfallender Rendite jongliert wird, wurde klar, dass in diesem hoch regulierten Markt Vertrauen auch wirklich nötig ist. In diesem Zusammenhang kam sogar die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung gut weg, was in den letzten Jahren gerade bei Terminen in Unternehmen mit hohem Energiebedarf eher selten der Fall war. Hier brachte Dominguez aber auch wieder die Demut ins Spiel - besonders mit Blick auf die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs.