Was bei uns los ist
News vom Marketing-Club Neckar-Alb
Angst ist der falsche Ansatz
MCNA Sommerlounge // Juli 2024
"Man muss Freiraum geben und darauf hören, was an einen herangetragen wird", lautet das Motto von Christian Maresch, Gründer der Nahversorger-Kette "Tante-M", für die Inspiration zu einer Geschäftsidee. Das galt eigentlich für die gesamte Sommerlounge im Juli, für die Michael Rampf aufgrund des Ausfalls der eigentlich vorgesehenen Location das "Genusslabor", die Grafenberger Kantine der Rampf-Gruppe, zur Verfügung stellte. Zur Begrüßung winkte Rampf möglichen Nachahmern und Nachfolgern mit der ganz langen Grillzange: "Im letzten Jahr meiner Club-Präsidentschaft lade ich Euch hierher ein."
Nicht auszuschließen, dass es anderswo bei gleichem Herbstwetter genauso gemütlich und wohlschmeckend zugegangen wäre, aber die wiederholten Gänge durch die Regentropfen zu Michael Ruß an der Grillstation im Carport, begleitet von Mörts Gitarrenklängen, ließen darauf schließen, dass Lachsforelle vom Brettchen, schlonziger Kartoffelsalat und gabelzarte Rinderwade den Bedarf der Gäste mindestens deckten. Apropos Büffet: Ums Abholen von Nahrungsmitteln nach persönlichem Gusto ging es auch im Interview, das Vizepräsident Christoph Koppensteiner mit Maresch führte. "Meine Schwiegermutter ist mir mit ihren überzähligen Salatköpfen aus dem Garten auf den Keks gegangen", erinnerte sich Maresch an seinen ersten Schritt in den Lebensmitteleinzelhandel - mit Kiste und Kässle vor dem Wohnhaus. "Das war mein Aha-Moment: Die Leute haben Interesse daran, Dinge dann zu kaufen, wenn es ihnen passt."
Über mehrere Verkaufsstände in Zusammenarbeit mit einer Gärtnerei sowie Äpfeln und Eiern in einem "abgeschwatzten" Kartoffelkeller tüftelte Maresch weiter an der Idee der weitestgehenden Selbstbedienung, bis ihm eine resolute Grafenbergerin 2019 eine leerstehende ehemalige Bäckerei-Verkaufsstelle nachgerade aufdrängte. Der erste "Tante-M"-Laden - mittlerweile schon wieder Geschichte angesichts eines vor Ort entstehenden Discounters - war zugleich der erste Schritt "vom Ladenbesitzer zum Konzeptgeber", wie es Maresch ausdrückte, der immer wieder anklingen ließ, dass er seine eigene Rolle nie wirklich im Kittel zwischen den Regalen sah. Maresch erwähnte so viele Partner, die er in kurzer Zeit mit eingespannt hatte, dass seine Kernkompetenz im Networking überdeutlich wurde. Deswegen werden die mittlerweile knapp 60 Filialen überwiegend von Franchise-Nehmern betrieben. Lediglich um neun Geschäfte "im Umkreis von 20 Kilometern" um den Sitz in Hengen kümmert sich Maresch noch direkt selbst - einerseits wegen der mittlerweile langen Fahrtstrecken in seinem Smartshop-Imperium, andererseits weil selbstständige Betreiber meistens bessere Ergebnisse als Angestellte erzielten. Die Einstiegsschwelle halte "Tante-M" dabei bewusst niedrig. Der Kapitaleinsatz liege bei 50.000 Euro und dank eigenem Ladenbaukonzept lasse sich ein Geschäft binnen einem Monat einrichten.
Die eingesetzte Technik sei bewusst auf das Notwendige beschränkt, um die Kosten niedrig und die Standorte rentabel zu halten, verglich Maresch sein Konzept mit Wettbewerbern, die mit Experimenten für die Zukunft des automatisierten Einzelhandels ihre Kosten nach oben trieben. "Tante-M" halte dagegen die Preise auf Supermarkt-Niveau - "damit die Leute nicht nur das kaufen, was sie anderswo vergessen haben." Maresch postulierte einen bodenständigen Grundsatz seines Geschäftsmodells: "Im ländlichen Raum ist es Lebensqualität, spontan einkaufen zu könne - ohne drei Kühlschränke zu Hause." Dass er damit in vielen Gemeinden offene Türen einrennt, mochte Maresch nicht sagen. Seinen Anekdoten zufolge wird "Tante-M" eher vom Rathaus aus mit dem Lasso in die Ortszentren gezerrt. Die Schlagzahl liege derzeit bei vier Neueröffnungen pro Monat. Totz dieses Tempos gelte Bange mache nicht: Auch ohne Personal im Laden liege der Schwund mit 4,5 Prozent im Rahmen des Einzelhandels. Und Furcht sei schon gar nicht bei rechtlichen Auseinandersetzungen wegen des Sonntagsverkaufs angebracht. Was sich Maresch in dieser Hinsicht an Pragmatik von der Politik wünscht, fasste er mit einem hintersinnigen Lächeln zusammen: "Bayern hat das restriktivste Gesetz. Und jeder Bürgermeister kann es vor Ort so anwenden, wie es nötig ist."