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News vom Marketing-Club Neckar-Alb

In der Schwebe

MCNA vor Ort // Oktober 2024

Serendipitäten sind beim Marketing-Club Neckar-Alb im Prinzip immer möglich, die Oktober-Veranstaltung mit Marcus Hinkels Vortrag über das Bruchsaler Luftfahrtunternehmen Volocopter war dafür besonders geeignet, denn wie Gastgeberin Dr. Julia Berghoff, Leiterin des Kunstvereins Reutlingen, zur Begrüßung anmerkte: "Publikum, das nicht wegen der Kunst kommt, haben wir sonst nicht so oft". Eine Woche vor der Vernissage der jährlichen Kooperationsausstellung regionaler Kunstschaffender hingegen, standen und lagen die Werke jedenfalls schon bereit. 

Im Hauptteil des Abends ging es indes ums Fliegen mit Batterieantrieb. Hinkel, selbst als bildender Künstler aktiv und laut Moderator Christoph Koppensteiner eigentlich auf dem Sprung zu einer Weltreise, als ihm 2018 die Markenführung bei Volocopter angetragen wurde, war allerdings mit dem Auto angereist und bei Pforzheim beträchtliche Zeit im Stau gestanden. Die Option Zug - der Kunstverein ist vom Hauptbahnhof fußläufig erreichbar - ließ er gar gänzlich unerwähnt. Dennoch: Die Geschäftsidee für Volocopter, vulgo das Flugtaxi, sei nicht aus einem Bedarf heraus entstanden sondern aus einem Experiment im Umfeld des KIT. Dazu zeigte er ein millionenfach geklicktes Youtube-Video aus dem Jahr 2011 vom "weltweit ersten bemannten Flug mit Elektroantrieb". Wobei der auf einem Medizinball platzierte Pilot ein wenig an Münchhausens Ritt auf der Kanonenkugel erinnerte. "Eigentlich war es damit dann auch schon vorbei", merkte Hinkel an, dass die beteiligten Tüftler mittlerweile auch nicht mehr operativ im Unternehmen tätig sind. Die Begeisterung für die Geschäftschance sei von außen hineingetragen worden, teils von der Politik und vor allem durch Investoren. Auf letztere komme es im momentanen Ausscheidungsrennen um die Marktreife auch unbedingt an, denn bis zur kommerziellen Nutzung sei der Einsatz von mehr als einer Milliarde Euro notwendig - oder wie Hinkel knapp zusammenfasste: "Wir haben derzeit eine Burn Rate von 100 Millionen Euro pro Jahr". Besonders kostenintensiv neben der Entwicklung der eigentlichen Technik sei dabei vor allem das Erstellen und Einhalten der Vorschriften für das neuartige Verkehrsmittel: "Wir haben die europäische Luftfahrtbehörde fast täglich im Haus." Die im Vergleich mit China um Potenzen höheren Anforderungen mochte er nicht als Nachteil sehen, vielmehr werde dieser "Goldstandard" global Marktzugänge öffnen, weswegen sich auch die chinesische Volvo-Mutter Geely bei Volocopter engagiere.     

Trotz vielversprechender Potenziale hielt sich Hinkel mit Prognosen und Ansprüchen an die heimische Politik in Bodennähe, wohl auch weil ein in München ansässiger Mitbewerber zur Zeit des Vortrags seinen Insolvenzantrag vorbereitete. Obwohl das US-Militär und die chinesische Regierung die Technologie mit deutlich mehr Verve vorantrieben als die Europäer, mochte Hinkel nicht zur Standortschelte ansetzen, denn hierzulande sei Volocopter nicht dazu angetan, in großem Stil Verkehrsprobleme zu lösen. Die aktuelle Batterietechnik gebe noch nicht mehr als den Transport eines Passagiers neben dem Piloten her, autonomes Fliegen sei noch ferne Zukunftsmusik und Metropolen mit über 5 Millionen Einwohnern als Zielmärkte fänden sich auch nicht in jedem Landstrich. Und von der ursprünglichen Vision eines Unternehmens, dass nicht nur Fluggeräte herstellen, sondern auch die zugehörige IT-Infrastruktur und die Start-und Landepunkte mit den Wechselstationen für die Akkus betreiben möchte, machte Hinkel deutliche Abstriche. Nach seiner Einschätzung werde sich Volocopter auf die OEM-Rolle zurückziehen müssen, zumal die Zukunft der Massenfertigung ohnehin in China liege, wo bereits jetzt an 4.000 Strecken für den elektrischen Lufttransport von Personen gearbeitet werde, während es in Europa bislang nur Vorzeigeprojekte mit Shuttles "auf Schienen in der Luft" in Rom und Paris gebe. 

Ob Volocopter tatsächlich von Bruchsal aus in eine marktbeherrschende Position aufsteigen wird, wenn voraussichtlich im Herbst 2025 - ausreichende Finanzierung vorausgesetzt - die Zulassung für den regulären Betrieb kommen soll, ließ Hinkel mit viel Gelassenheit offen. Die knapp 600 Mitarbeiter seien durchweg so gut qualifiziert, "dass wir auch was anderes machen können." Der Traum vom Fliegen ist ohnehin universell, wie Thilo Schmid bewies. Der Club-Schatzmeister, in seinen Eigenschaften als Vater eines Volocopter-Praktikanten und Kunstförderer bei der Kreissparkasse für den interdisziplinären Termin verantwortlich, hatte bei der Suche nach einem passenden Hintergrund für das Erinnerungsfoto schnell auf einem großformatigen Werk Rotoren erkannt.