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News vom Marketing-Club Neckar-Alb
Energieaufwand und Außenwirkung
MCNA vor Ort // April 2024
"Tue Gutes und rede darüber" - so lautet eine eherne PR-Regel, die nach dem Club-Abend bei RÖKONA vielleicht einer Anpassung bedarf. Gastgeber Arnd-Gerrit Rösch sprach auch über das, was er lieber sein lassen würde und ordnete einige Image-Aspekte des Unternehmens in die Realität ein.
Damit bei der Führung durch das weitläufige Textilwerke-Areal an der Schaffhausenstraße niemand verloren gehe, hatte Rösch um eine überschaubare Teilnehmerzahl gebeten. Dementsprechend hatte er auch auf ein Model verzichtet, um die aktuelle Mode-Kollektion vorzustellen und trug die neue Herrenjacke selbst. Im Kern ging es aber im Vortrag und der anschließenden Besichtigung weniger um die Werbung für das eigene Outlet als um die technischen Textilien, vornehmlich für die Automotive-Industrie. Rösch erläuterte dazu die seit 2021 verfolgte Zukunftsvision "RE:Space", die dem Produktionsstandort Tübingen weitere Perspektiven eröffnen soll. Dass es Rösch mit der Zukunftsfähigkeit bitterer Ernst ist, war gleich zu Anfang aus seiner Bemerkung herauszuhören, dass das Unternehmen am Standort noch einige Flächen in Reserve habe, jedoch gerade "an etwas anderes denkt, als in Deutschland zu expandieren."
Auf die Frage von Moderator Christoph Koppensteiner, was ihn besonders umtreibe, antwortete Rösch kurz und klar: "Hohe Energiepreise". Deutschland erlebe deshalb eine Rezession, die auch nur Deutschland betreffe. "Auch die Chinesen sprechen von Krise, aber bei 4 bis 6 Prozent Wachstum", führte Rösch weiter aus. Vor diesem Hintergrund sei RÖKONA gezwungen, den Einsatz von Energie und Ressourcen zu verringern, wobei der Fokus notgedrungen auf den eigenen Produkten liegen müsse, denn "wir sind kein Maschinenhersteller", stellte Rösch klar. Der deutsche Maschinenbau sei vor allem auf Asien und Amerika ausgerichtet, Märkte in denen Energie verhältnismäßig günstig sei. Rösch stellte einige neue Materialien wie einen besonders dünnen Stoff "mit luftigem Tragekomfort" für Kettensägen-Schnittschutzbekleidung oder das Kunstleder "Afilia" aus Recycling-Polyester vor. Letzteres ersetze Alcantara, ohne die Umwelt zu belasten. RÖKONA habe für weitere Innovationen beim Färben oder der Oberflächenbehandlung ohne Zugabe von Metallen "zahlreiche Preise gewonnen".
Das Thema Kreislaufwirtschaft stoße indes im B2B-Geschäftsmodell an Grenzen, wie Rösch mit Blick auf die Abnehmer in der Automobilindustrie einräumte. So liefere RÖKONA ein Abstandstextil aus wiederverwertetem Polyester für Dachhimmel zu, das im weiteren Fertigungsprozess dann mit Schaumstoff verschmolzen und damit nicht mehr sortenrein sei. Während Automobilhersteller die Nachhaltigkeit im Prospekt nach vorne stellten, gehe es letztlich doch nur nach dem Preis. Als Vorwurf war dies nur bedingt zu deuten, denn auch Rösch betonte mehrfach nüchtern, dass es sich bei den RÖKONA Textilwerken um ein "Unternehmen mit Gewinnerzielungsabsicht" handele. Von der vorgezogenen Pflicht, die CO2-Bilanz im Nachhaltigkeitsbericht ausweisen zu müssen, zeigte er sich wenig begeistert: "Das bringt nur Beratungskosten und außer dem Wirtschaftsprüfer wird das niemand lesen."
Leistung und Ergebnis wolle RÖKONA wieder mehr in den Vordergrund rücken. Rösch erzählte in diesem Zusammenhang eine Anekdote, die auch mit dem vor über 50 Jahren gegründeten Betriebskindergarten in Zusammenhang stand. Den Kindergarten habe das Unternehmen vor allem dazu eingerichtet, um Mitarbeiterinnen nach deren Familiengründung weiter an den Betrieb zu binden. Der mitarbeiterfreundliche Ruf mache den Betrieb "attraktiv für labile Menschen", wie Rösch von der Statistikerin einer großen Krankenkasse erfuhr, die ihm den verhältnismäßig hohen Krankenstand erklärte.
Letztlich verwunderte es wenig, dass Rösch während der Betriebsbesichtigung bei einer der größten Investitionen der letzten Jahre keinen allzu euphorischen Eindruck hinterließ. 2017 sei die Produktionserweiterung nur unter der Auflage genehmigt worden, die Abluft der Spannrahmen, in denen Stoffe gefärbt und oberflächenbehandelt werden, zu sammeln und bei 700 Grad zu verbrennen. "Das würde man heute vielleicht anders lösen, denn damit erzeugen wir eine ganze Menge CO2." Für die Anlage mit 30 Meter hohem Kamin, mit deren Abwärme die Stadtwerke die Nachbarschaft beheizen, habe der Umweltminister Untersteller damals eine Plakette mitgebracht "und auch Ministerpräsident Kretschmann kam zum Händeschütteln", erinnerte sich Rösch an die Pressetermine, "ansonsten war's das, was wir davon haben."